Aktienmärkte: Sell in May and go away?

Die weltweiten Börsenkurse und mit ihnen die Unternehmensbewertungen haben weitere Rekordniveaus erklommen. Innerhalb der Segmente wechseln sich die Gewinner immer wieder ab, mal sind es Technologiewerte aus der ersten oder zweiten Reihe, dann wieder zyklische Industrieaktien oder auch Einzelhandel und Konsum. Gute Fundamentaldaten aus China, positive Arbeitsmarktdaten aus den USA, steigende Ölpreise und ein erstarkter Baltic Dry Verschiffungsindex signalisieren einen Konjunkturaufschwung auf breiter Front.

Die Quartalszahlen der Unternehmen, allen voran die der amerikanischen Großbanken wecken allerdings Zweifel, ob die gewaltigen fiskal- und geldpolitischen Unterstützungsmaßnahmen in dieser Größenordnung wirklich gerechtfertigt waren und nicht teilweise sogar wieder rückabgewickelt werden sollten. Die Tatsache, dass Unternehmen diese (Über)-Kapitalisierung der Märkte ausnutzen, um sich frisches Kapital zu besorgen (siehe beispielsweise die zahlreichen Börsengänge der sogenannten „SPAC“ (Special Purpose Acquisition Companies) oder auch das kürzlich erfolgte „Direct-Listing“ der Kryptohandelsplattform Coinbase mit einer Bewertung von über 100 Mrd. US$) ist dafür Indiz und logische Konsequenz zugleich.

Starker Rückenwind für weitere langfristige strukturelle Aufwärtstrends kommt zudem von dem gigantischen, über zwei (!) Billiarden US$ großen Infrastrukturprogramm des neuen US-Präsidenten, während aufkommende Zinssteigerungsängste von den Zentralbanken mit teilweise gebetsmühlenartigen Zusicherungen eines rechtzeitigen und starken Gegensteuerns (noch) abgewiegelt werden können.

Aber auch wenn das Erreichen von Rekordkursen statistisch kein Hindernis für noch höhere Notierungen nahelegt: Aktuell ist Vorsicht angesagt und eine länger andauernde Fortsetzung der gewaltigen Rallye sollte eher skeptisch betrachtet werden, insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Anlegerumfragen (Sentiment-Analysen) sowie jahreszeitlich bedingter Muster.

Investoren, die sich fast euphorisch über (ihre) Steigerungen freuen, gleichzeitig aber ihre Positionen gut abgesichert zu scheinen haben oder diese in steigenden Märkten tendenziell verkleinern, während sie eher pessimistisch für die Zukunft gestimmt sind, stehen nicht unbedingt für kurzfristig weiter steigende Notierungen und/oder hoffen erst einmal auf Korrekturen für einen Neueinstieg.

Und auch die Saisonalität spricht eher für eine Verschnaufpause. Während der April statistisch noch mit zu den stärksten Börsenmonaten des Jahres gehört, läutet der Mai das traditionell eher renditeschwächere Sommerhalbjahr ein, bevor die Börsen in der Regel im letzten Quartal wieder an Fahrt aufnehmen.

Kurzfristig sind in den nächsten Wochen also eher Gewinnmitnahmen und Marktkorrekturen zu erwarten und die Portfolien im Hinblick auf die strategische und taktische Allokation anzupassen. Dazu gehört auch ein weiteres Umschichten in Titel und Segmente, die tendenziell von einem starken Wirtschaftswachstum und einer steileren Zinskurve profitieren, ggf. flankiert von punktuellen Absicherungsmaßnahmen, sofern unter Kostenaspekten sinnvoll. Das übergeordnete Bild des Bullenmarktes, der mit einem robusten und diversifizierten Wertpapierportfolio aus erstklassigen Qualitätstiteln unterlegt werden sollte, ist unseres Erachtens weiterhin intakt.