2025 markierte für Kanada eine gewaltige Zäsur oder auf neudeutsch „Zeitenwende“. Seit US-Präsident Donald Trump seine aggressiven Zollpläne und die provokante Idee eines „51. Bundesstaates“ ins Spiel brachte, hat sich das politische und wirtschaftliche Klima in Kanada grundlegend verändert. Was als Drohung begann, löste einen tiefgreifenden Wandel aus: politisch, ökonomisch und gesellschaftlich.
Die Stimmung gegenüber den USA hat sich deutlich eingetrübt. Zwei Drittel der Kanadier sehen den südlichen Nachbarn inzwischen kritisch, ein dramatischer Umschwung, der wesentlich zum Wiedererstarken der Liberalen unter Mark Carney beigetragen hat. Carney positionierte sich erfolgreich als stabiler Gegenspieler zu Trump und führte seine Partei nach einem überraschenden Meinungsumschwung zurück an die Regierung. Gleichzeitig erlebte Kanada eine neue Welle nationalen Selbstbewusstseins, die verloren geglaubte Identität wurde neu belebt , wenn auch aus einem Gefühl der existentiellen Bedrohung heraus.
Wirtschaftlich trafen die US-Zölle Kanada hart. Besonders die Exportindustrien Stahl, Aluminium, Automobil und Holz litten unter Einbrüchen. Viele Unternehmen klagen über steigende Kosten, verunsicherte Märkte und schwierige Investitionsbedingungen. Der Arbeitsmarkt zeigt zwar insgesamt Widerstandskraft, doch in exportabhängigen Branchen kam es zu Entlassungen, höherer Arbeitslosigkeit und gestiegener Angst vor Jobverlusten.
Gleichzeitig entwickelte sich aber eine bemerkenswerte Dynamik: Kanadische Unternehmen begannen, ihre Märkte zu diversifizieren. Aluminium findet neue Abnehmer in Europa, Rohstoffe werden verstärkt außerhalb der USA verkauft, und immer mehr Firmen zertifizieren ihre Produkte als „USMCA“-konform, um Strafzölle zu umgehen. Sogar der Automobilmarkt verschiebt sich: Erstmals importiert Kanada mehr Autos aus Mexiko als aus den USA.
Auch das Konsumentenverhalten hat sich verändert. Viele Kanadier meiden amerikanische Produkte, kaufen bewusster lokal ein und verzichten auf US-Reisen, die im vergangenen Jahr um ein Drittel eingebrochen sind. Stattdessen boomt der heimische Tourismus, Restaurants verzeichnen Rekordumsätze, und internationale Reisen verlagern sich verstärkt nach Europa und Asien. Gleichzeitig halten Provinzen teilweise an Importverboten für US-Alkohol fest, als direkte Antwort auf Washingtons Strafmaßnahmen.
Die Regierung reagierte mit einer Mischung aus Gegenwehr und Neuausrichtung: Temporäre Gegenzölle, verstärktes diplomatisches Engagement weltweit und eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben als klares Signal an die USA und an die NATO. Zudem hat der wirtschaftliche Druck endlich Bewegung in die jahrzehntealte Debatte über interne Handelsbarrieren zwischen den Provinzen gebracht. Ottawa und die Provinzen treiben zahlreiche Reformen voran, die den Binnenmarkt stärken sollen.
Trotz aller Herausforderungen zeigt sich Kanada an den Finanzmärkten überraschend robust: Die Börsen haben sich seit dem Beginn der amerikanischen Zollpolitik besser entwickelt als die US-Märkte – ein Hinweis auf die langfristige Widerstandsfähigkeit des Landes.
Ein Jahr nach Trumps Eskalation präsentiert sich Kanada als ein Land im Wandel: verunsichert, aber fest entschlossen; wirtschaftlich gefordert, aber überraschend anpassungsfähig; politisch im Kern geeinter als zuvor. Die Krise hat viele Schwächen offengelegt aber auch Kräfte freigesetzt, die Kanada neu definieren. Diese könnten sich langfristig als Katalysator erweisen, der Kanada zu neuen Partnerschaften, innovativen Industrien und größerer wirtschaftlicher Unabhängigkeit von den USA führt.
